Mehr Licht ins Dunkel bringen

Uwe Walz: Angesichts des hohen Maßes an Datenunsicherheit sind Anstrengungen zur Gewinnung unverzerrter Daten für die Ableitung von Maßnahmen von großer Wichtigkeit

Uwe Walz

Von Uwe Walz, Professor für Volkswirtschaftslehre, Goethe-Universität und SAFE

Ein zentrales Problem mit Blick auf die aktuelle Covid-19-Krise ist das überaus hohe Maß an Datenunsicherheit bezüglich entscheidender Maßgrößen, insbesondere der Infektions- und Fallmortalitätsraten. Ist letztere im hohen einstelligen Bereich, wie aktuelle Zahlen aus Norditalien nahelegen, ist die derzeitige Fokussierung auf das Ziel, die Zahl der Corona-Toten zu minimieren, (und auf die daraus abgeleiteten Maßnahmen) unter weitgehender Ausblendung anderer menschlicher und gesellschaftlicher Opfer wohlbegründet. Liegt diese Zahl jedoch, um ein anderes Extrem zu nennen, auf dem Niveau der wiederkehrenden Influenza bzw. bei bestimmten Bevölkerungsgruppen sogar deutlich darunter, ist die Sachlage, angesichts der großen Auswirkungen der Maßnahmen, eine potenziell andere, etwa mit Blick auf die Ausgestaltung einer Exitstrategie. Daher ist für die weitere Vorgehensweise ein besseres Verständnis über wesentliche Maßgrößen entscheidend. Aktuell sind die Daten mit einer Reihe von Verzerrungen behaftet. Ländervergleiche sind aufgrund unterschiedlicher Definitionen, unterschiedlicher Testintensitäten und auch wegen der unterschiedliche Belastungen des Gesundheitssystems sehr problematisch.

Im Folgenden sollen drei Überlegungen exemplarisch kurz diskutiert werden. Eine Abschätzung der Daten aus den gegebenen Rohdaten wird durch den sogenannten Feststellungsbias verzerrt. Eine Studie, die auf Daten von japanischen Evakuierungsflügen aus Wuhan Ende Januar 2020 basiert, schätzt die Feststellungsrate auf unter 10%. Dies bedeutet, dass mehr als zehnmal so viele Menschen infiziert sind, wie die offiziellen Daten ausweisen. Die tatsächliche Mortalitätsrate wäre um den Faktor zehn geringer. Zufallsstichproben in deutschen Städten würden es erlauben, diese Daten zu gewinnen, idealerweise differenziert nach verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Erste Ansätze für Heinsberg sind dabei richtungsweisend, sollten aber auch auf andere Gebiete ausgedehnt werden.

Aktuell werden unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, deren Wirkungsmechanismus aber nur sehr grob abschätzbar ist. Licht ins Dunkel würden Analysen bringen, die die Effekte der unterschiedlichen Maßnahmen in Jurisdiktionen mit ähnlichen Strukturen (z.B. verschiedene Bundesländer bzw. angrenzende Gebiete in Mittel- oder Nordeuropa) auf möglichst standardisierte Maßgrößen (wie etwa die Zahl der schwer erkrankten Infizierten) messen.

Dabei wäre es sehr hilfreich, die aktuellen Mikro-Daten in anonymisierter Weise zugänglich zu machen. Damit könnten nicht nur die obigen Analysen ermöglicht werden, sondern auch bedingte Wahrscheinlichkeiten (z.B. Sterberaten von im Krankenhaus aufgenommenen Patienten) über Gruppen hinweg besser abgeschätzt werden.

Forschungen zu Medikamenten und die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs sind selbstverständlich entscheidend, aber insbesondere in der kurzen Frist sollte dies durch die Generierung möglichst unverzerrter Daten komplementiert werden.

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