Von Stefan Kroll, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Noch zu Beginn des Jahres beherrschte der Klimawandel die öffentlichen Debatten. Ganz anders als bei der Corona-Krise, die als plötzliche Bedrohung die Menschheit herausfordert, war die Wahrnehmung des Klimawandels als „Krise“ trotz jahrzehntelanger Forschung, die die Gefahren belegt, ein eher gradueller Prozess. Enge Definitionen des Phänomens „Krise“ würden graduelle Prozesse vielleicht ausschließen, aber gerade in der neueren Krisenforschung werden Fälle sogenannter „creeping crisis“ intensiver in den Blick genommen.
Die Corona-Pandemie illustriert nun, dass es dennoch vor allem die überraschenden Krisenereignisse sind, die die Aufmerksamkeit beherrschen und die politischen und ökonomischen Entscheidungsebenen dominieren. Daraus resultiert eine interessante Spannung: Während sich die Corona-Krise durch die politischen und ökonomischen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung ausdifferenziert in viele Krisen, wird die Klima-Krise aktuell verdrängt. Politische Reformen, technische Innovation, gesellschaftlicher Aufbruch: All das, was die Krise als Chance ausmacht, fokussiert sich nun auf das abgegrenzte Feld der öffentlichen Gesundheit.
Besonders augenscheinlich wird dies in der Verschiebung der UN-Klimakonferenz, die gerade bekannt wurde. Auch wenn es wenig überrascht, dass eine Großkonferenz in diesem Jahr nicht in der üblichen Form stattfinden kann, so birgt dieser Schritt doch auch die Gefahr einer Relativierung des Klimawandels als „Krise“. Angesichts der Bedrohungen, die auch vom Klimawandel ausgehen, ist dies einerseits ein fatales Signal. Angesichts der Erfahrungen, die wir in der Corona-Krise gerade machen, liegt hierin andererseits aber auch eine Chance:
Die aktuellen Maßnahmen des Krisenmanagements sind rechtsstaatlich in hohem Maße problematisch und schränken demokratische Räume global ein. Forderungen, dem Klimawandel mit ähnlichen Mitteln zu begegnen, die sich in sozialen Medien bereits vielfach finden, sollte von Beginn an kritisch begegnet werden. Die Lösung der dauerhaften „Krise“ des Klimawandels kann nicht in ähnlichen Formen der Einschränkung individueller Freiheiten bestehen. Es ist eine langfristige Aufgabe und es bedarf langfristiger demokratischer Lösungsstrategien. Gerade der sozialwissenschaftlichen Krisenforschung kommt die Aufgabe zu, solche Lösungen für die dauerhafte „Krise“ zu entwickeln, die etwas anderes ist als der „Ausnahmezustand“, den wir gegenwärtig erleben.
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