Was kann die Wissenschaft bei unsicherer Faktenlage beitragen?

Gerd Geißlinger: Erkenntnisgewinn auf Basis multidisziplinärer Forschung ist die beste Entscheidungsgrundlage

Gerd Geisslinger

Von Gerd Geißlinger, Goethe-Universität Frankfurt 

Die Pandemie des Coronavirus SARS-CoV-2 schreitet weltweit mit hoher Dynamik voran und stellt unsere Gesellschaft vor sehr große Herausforderungen. Aktuell eröffnet sich eine Debatte über das Vorgehen bezüglich der bestehenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen und dem langsamen „Hochfahren“ in die Normalität. Die Politik ist dementsprechend gefordert, Entscheidungen zur weiteren Umsetzung von Maßnahmen sowie möglichen Exitstrategien zu treffen. Zurzeit kann jedoch niemand vorhersagen, welche Auswirkungen die verschiedenen Strategien auf den Pandemieverlauf wirklich haben werden. Ziel sollte demnach ein Abwägen auf einer möglichst breiten Faktenbasis sein.

Die Forschung zur Erweiterung der Erkenntnisse in Bezug auf SARS-CoV-2 wird weltweit mit Hochdruck vorangetrieben. Vor allem die Entwicklung von Impf- und Wirkstoffen, von Technologien zur Detektion von SARS-CoV-2 sowie zur Verfolgung von Infektionsketten, wie z.B. anhand des in einem multinationalen Netzwerk entwickelten PEPP-PT-Systems zur Kontaktverfolgung, beeinflussen das Abwägen von Entscheidungen maßgeblich. Für einen zeitnahen und umfassenden Erkenntnisgewinn ist die Bündelung der Expertisen von Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Disziplinen hilfreich. So sollten z.B. zur Etablierung neuer Testverfahren neben Naturwissenschaftlern ebenfalls Ingenieure, Informatiker und Mediziner eingebunden werden, um verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen sowie eine zeitnahe und erfolgreiche Umsetzung zu begünstigen.

Die Fraunhofer-Gesellschaft beispielsweise setzt diesen multidisziplinären Ansatz zur Entwicklung von kostenintelligenten Innovationen im Gesundheitswesen bereits seit einigen Jahren um. Das sogenannte 4D-Konzept umfasst die Bereiche Wirkstoff- und Impfstoffforschung (Drugs), Medizintechnik (Devices), Diagnostik sowie Daten und wird für die Entwicklung integrierter Lösungen der wichtigsten medizinischen Herausforderungen bezüglich SARS-CoV-2 eingesetzt. Darunter fallen vor allem das Drug Repurposing, das Wirkstoff- und Impfstoffscreening sowie die Wirkstoff- und Impfstoffherstellung, die Steigerung der aktuellen Testkapazität und die Entwicklung weiterer Testmethoden, Devices zur Diagnostik, Sterilisation und Herstellung medizinischer Verbrauchsgüter, die Datenerfassung, -verwaltung, -analyse und -visualisierung sowie mathematische Modellierungen im Rahmen von SARS-CoV-2.

Die Wissenschaft kann demnach anhand multidisziplinärer Forschung zu SARS-CoV-2, aber auch zur Prävention und Resilienz, die Wissensbasis für das Abwägen von Entscheidungen verbreitern und zu einer fundierten Entscheidungsbasis beitragen.

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