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Stefanie Dimmeler: In der derzeitigen Krise sollten andere Erkrankungen nicht vergessen werden

Stefanie Dimmeler

Von Stefanie Dimmeler, Goethe-Universität und Cardio Pulmonary Institute

Das Ziel der aktuellen Maßnahmen ist die Eindämmung der Infektionsgeschwindigkeit von COVID-19, um damit die medizinische Versorgung möglichst aufrecht zu erhalten. In der Bevölkerung besteht eine große Zustimmung bezüglich der durch die Bundes- und Länderregierungen gesetzten Maßnahmen (nur 4 % halten die Maßnahmen für übertrieben). Die Reduktion der Geschwindigkeit des Anstiegs der COVID-19-Fälle („flatten the curve“) scheint – zumindest bisher – geglückt: So sind in Deutschland nur punktuell Engpässe zu beobachten, die meisten Kliniken könnten mehr Patienten aufnehmen.

Diese Aufrüstung der Kapazitäten erfolgte allerdings teilweise durch Reduktion von geplanten Eingriffen, wodurch Intensivbetten, die z.B. für Patienten nach einer Operation vorgehalten werden müssen, für die COVID-19-Patienten reserviert wurden. Es stellt sich hier die Frage, wie dieser Spagat zwischen der maximalen Vorhaltung für COVID-19-Patienten und der medizinischen Versorgung anderer Schwerkranker, wie z.B. Menschen mit Herzerkrankungen, Tumoren oder anderen schwerwiegenden Erkrankungen, die akut oder zumindest zeitnah versorgt werden müssen, langfristig aufrechterhalten werden kann. Mit einer Trennung von Kliniken in COVID-19-positive versus nicht-infizierte-Bereiche kann versucht werden, den Routinebetrieb zumindest in Teilen aufrechtzuerhalten.

Es besteht zudem die Hoffnung, durch eine verbesserte Therapie von COVID-19 die Anzahl an schwerwiegenden Verläufen und damit die Verweildauer der Patienten in den Kliniken zu reduzieren. Hier gibt es mehrere Ansätze, wie zum Beispiel antivirale Therapien, Medikamente wie Chloroquin, welches gegen Malaria eingesetzt wurde, deren Wirksamkeit sich allerdings noch beweisen muss. Aber auch ein besseres Verständnis der Risikofaktoren, die zu schweren Verläufen führen, können möglicherweise helfen die Behandlung zu optimieren. Neben Alter sind insbesondere Patienten mit Herzerkrankungen besonders gefährdet. Möglicherweise könnte eine begleitende Therapie das Herz- und Gefäßsystem schützen? Eine bessere Datengrundlage ist hier essentiell, um die COVID-19-Erkrankung besser zu verstehen und eingreifen zu können. Das europäische Fallregister für Coronavirus-Patienten LEOSS soll hier nun flächendeckend Aufschlüsse geben.

Die aktuell eingeführten Maßnahmen haben möglicherweise auch einen positiven Begleiteffekt: Durch das dramatische, schnelle und kompromisslose Einsetzen der Maßnahmen sind die Menschen in Deutschland nun mit den wesentlichen Vorsichtsmaßnahmen vertraut, die eine Verbreitung des Virus möglichst eindämmen sollen. Die selbstverständliche Akzeptanz der Verhaltensmaßregeln, insbesondere Distanz und Hygiene, werden notwendig sein und uns weiter begleiten, sofern nicht zeitnah ein Impfstoff oder eine durchschlagende Therapie zur Verfügung steht.

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