Wie kann die Gratwanderung des "Unlock" gestaltet werden?

Für Spanien und Italien ist es Zeit für einen graduellen Unlock, für Deutschland wäre das wahrscheinlich noch zu früh. Wir brauchen Unlock-Strategien, auch mit Mut zum Risiko, da die sozialen und ökonomischen Kosten des Lockdown sehr hoch sind

Busch, Ludwig, Llopis

Von Christopher Busch, Universitat Autònoma de Barcelona; Alexander Ludwig, Goethe-Universität Frankfurt und SAFE; Raül Santaeulàlia-Llopis, Universitat Autònoma de Barcelona

In einer Phase großer Unsicherheit war die Politik in Deutschland alternativlos. Da es als sehr wahrscheinlich galt, dass es durch die Corona-Virus-Erkrankungen zu einer Überlastung der Gesundheitssysteme kommen würde, musste die Maßnahme des Lockdown ergriffen werden, um die Ausbreitung des Virus zeitlich zu strecken. Während einerseits weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass dies bei frühzeitigem Ergreifen der Maßnahme sinnvoll ist, ist weniger klar, wie und wann der Weg aus dem Lockdown heraus, der „Unlock“, gestaltet werden kann. Trotz der Bemühungen seitens des Robert-Koch-Instituts breitflächig zu testen, wird lange Zeit Unklarheit darüber bestehen, wie weit der Virus tatsächlich verbreitet ist. Gleichzeitig ist es unstrittig, dass die ökonomischen und gesellschafltichen Kosten des Lockdown sehr hoch sind: Sie dürfen dessen Nutzen nicht übersteigen!

Wann ist der Zeitpunkt für einen graduellen Unlock der Volkswirtschaft gekommen? Wir sind dieser Frage in einer Analyse für Italien und Spanien nachgegangen. Wir argumentieren, dass vier Kriterien erfüllt sein sollten, anhand derer ein Urteil über den Fortschritt der Epidemie bei noch nicht vorhandenen Testergebnissen gefällt werden kann: i) Die Wachstumsrate des Bestands der mit der Krankheit Verstorbenen sollte über einen längeren Zeitraum fallend sein und unter 10% liegen; ii) die Zahlen der täglich Verstorbenen sowie iii) der Neuinfizierten sollte einen S-förmigen Verlauf mit einer deutlichen Abflachung und iv) die Zahl der aktiven Fälle ein deutliches Abflachen aufweisen. Ein Blick auf die Zahlen für Deutschland zeigt, dass diese Kriterien noch nicht erfüllt sind; demnach wäre die Zeit für einen Unlock noch nicht gekommen.

Warum ist es so wichtig, frühzeitig Strategien für einen graduellen Unlock zu entwickeln? Weil die Kosten des Lockdown sehr hoch sind. Das Ifo-Institut hat in einer Studie bei einem zweimonatigen Lockdown eine Reduktion der jährlichen Wachstumsrate des BIP zwischen 7,2-11,2 Prozent geschätzt; das ist deutlich höher als die Verluste während des Jahres 2008. Dies ist keine abstrakte Zahl, sondern sie repräsentiert sehr hohe und ungleich verteilte Kosten, da insbesondere Kleinunternehmer, Selbständige und Geringverdiener betroffen sind. Auch liegt die Größe des Schwarzmarkts in Deutschland bei schätztungsweise 20% des BIP; eine ökonomische Aktivität, die durch den Lockdown wegbricht. Darüber hinaus bestehen zahlreiche soziale Kosten, die ebenfalls sehr ungleich verteilt sind.

Wie könnte eine Unlock-Strategie gestaltet sein? Wir argumentieren, dass es eines gewissen Muts zum Risiko bedarf und entwickeln zahlreiche Vorschläge über das Testen hinaus. Diese beinhalten, dass zwar Kindergärten, Schulen und Restaurants wieder geöffnet werden, zugleich aber mit Bedacht, d.h., dass in allen öffentlichen Einrichtungen die Pflicht besteht, Abstand voneinander zu halten. Um Kontakte am Arbeitsplatz und im Berufspendelverkehr zu minimieren, plädieren wir ferner für eine Art Rotationsprinzip des Büroalltags bzw. eine zeitliche Streckung des normalen Arbeitstages. In Anbetracht begrenzter Möglichkeiten der Kontrolle müssen Verstöße mit hohen Strafen belegt werden. Ferner brauchen wir einen gezielten Schutz besonders gefährdeter Personengruppen – also Älterer und Vorerkrankter –, die bei Bedarf von negativ getesteten Personen betreut werden müssen.

Kommentare

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Sei der erste der kommentiert