Kinder sind keine Klötze

Alexander Ludwig: Die Öffnung der Kindergärten ist nötig zum Wohlsein und zur Entwicklung unserer Kinder und nicht, damit die Eltern wieder in Ruhe arbeiten können

Alex Ludwig

Von Alexander Ludwig, Goethe-Universität Frankfurt und SAFE

In einem Beitrag zur Debatte in Spanien habe ich die vielfältigen Verteilungsperspektiven der dortigen Lockdown-Politik und der Beschränkung des öffentlichen Lebens analysiert. Die von mir unter anderem diskutierten intra- und intergenerationalen Verteilungsaspekte sind selbstredend von allgemeiner Gültigkeit und die eingeschlagene utilitaristische Perspektive lässt sich in einem Satz auf den Punkt bringen: Kinder sind keine Klötze!

Wenn sie Klötze wären, dann wäre es richtig, dass man sie nur abstellen muss, damit ihre Eltern wieder zur Arbeit können; sei es zuhause – die Klötze vor die Glotze setzen –, um der Tele-Arbeit nachgehen zu können, sei es im wieder eröffneten Kindergarten. Ja, die Diskussion in Deutschland liest sich nämlich genau so: Kindergärten sind, wenn überhaupt, nur dann zu öffnen, damit die Eltern wieder arbeiten können, man die Klötze also abgeben kann.

Kinder sind auch keine Kühlschränke. Wenn wir sie als diese betrachten würden, so würden sie nur indirekt in ein Nutzenkalkül einfließen, nämlich über den Nutzen der Eltern, die sich langlebige Konsumgüter angeschafft haben.

Da Kinder aber weder Klötze noch Kühlschränke sind, ist eine utilitaristische Sichtweise angemessen, die wir mit dem Kantianismus konfrontieren sollten, der uns moralisch verpflichtet, ein jedes Leben zu retten. Während das zwar eine Diskussion ist, die wegen Glatteisgefahr gerne umgangen wird, so ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass in Deutschland der Anteil unter 18-Jähriger an der Gesamtbevölkerung bei 16 Prozent liegt, von denen wiederum etwa 15 Prozent nach Sozialleistungen armutsgefährdet sind. Es ist ohne jeden Zweifel so, dass diese Bevölkerungsgruppe sehr stark durch die Lockdown-Maßnahmen benachteiligt ist. Der Anteil der Kinder von Alter 6 und jünger liegt im Übrigen bei 6 Prozent.

Diese Bevölkerungsanteile sind zu vergleichen mit einem Bevölkerungsanteil der über 64-Jährigen von 21 Prozent und der über 80-Jährigen von 5 Prozent, für die im Schnitt die höchste Gesundheitsgefährdung vorliegt. Während ich mich zwar klar dem Kantianismus in der medizinischen Versorgung verschreibe, bedeutet dies noch lange nicht, dass es nicht dringend nötig ist, die Kindergärten wieder zu öffnen, trotz der etwaigen Risiken, die damit eingegangen werden. Und laut diesem Beitrag sind diese womöglich sehr gering. Diese Öffnung ist nötig zum Wohlsein und zur Entwicklung unserer Kinder!

Was die damit verwandte Schuldiskussion betrifft, so ließe sich die Schulpflicht temporär aufheben, damit Eltern, die wegen etwaiger Vorerkrankungen bei Öffnung der Schulen um ihre Gesundheit bangen, dies einfach umgehen könnten.

Für meine Begriffe ist das Festhalten am Schließen der Kindergärten von den Befürwortern, die dies ja zum Schutz insbesondere der älteren Bevölkerungsgruppen wollen, auch nicht zu Ende gedacht. Wenn ich mein Kind nämlich nicht als Klotz behandeln will, aber dennoch zuhause arbeiten soll, so werde ich ja womöglich die Großeltern meines Kindes zu mir bestellen, damit sie mich unterstützen. Aber ist das nicht gerade die Bevölkerungsgruppe, die man besonders schützen möchte?

Im Übrigen ist die utilitaristische Sichtweise nicht auf die Jüngeren beschränkt. Wer sagt denn, dass eine ältere Person nicht lieber das Risiko in Kauf nehmen möchte, an Covid-19 zu erkranken und womöglich dadurch bedingt zu sterben, anstelle bis auf weiteres mit großen Einschränkungen zu leben?

Nach meinem Dafürhalten können Gründe für Einschränkungen des öffentlichen Lebens nur sein, negative Externalitäten zu vermeiden, also neue Infektionswellen, die das Gesundheitssystem an die Kapazitätsgrenze treiben würden. Aber dies kann durchaus nach jetzigem Kenntnisstand durch Abstandhalten (auch in wieder geöffneten Restaurants und Bars), Maskentragen, etc. erreicht werden, ohne die Rechte der Jungen und der Alten zu sehr zu beschränken.

Kommentare

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Sei der erste der kommentiert